Blackout droht – Zählerüberlauf bei Stromzählern

Kurz vor der Explosion stehender Stromzähler. Ein Totenkopf ragt aus dem Display. Ein Blackout droht.

Alle Prepaid-Stromzähler, die auf der STS-Technologie basieren, werden am 24. November 2024 die Stromabgabe einstellen. Ein Blackout droht. Grund dafür ist ein Zählerüberlauf bei den Stromzählern, dem sogenannten Rollover des Token Identifiers (TID). Weltweit sind Millionen Systeme in zahlreichen Ländern betroffen. Gerade in Entwicklungsländern sind Prepaid-Stromzähler sehr verbreitet. Das Problem wird die ärmsten Kommunen am härtesten treffen. Abhilfe schafft ein Update-Prozess der auf jedem einzelnen Gerät durchgeführt werden muss. Angesichts der grossen Verbreitung der Stromzähler eine Mammutaufgabe. Die Zeit drängt!

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Die Ursache ist ein Zählerüberlauf – Der TID-Rollover

Um einen Prepaid-Zähler aufzuladen, gibt der Nutzer des Prepaid-Zählers eine eindeutige 20-stellige Nummer ein, die Token genannt wird. Dieser Token ist mit einem eindeutigen Wert codiert, der als Token-ID oder kurz TID bezeichnet wird. Wenn ein Stromzähler einen Token akzeptiert, speichert er die Token-ID (TID), um zu verhindern, dass derselbe Token mehr als einmal akzeptiert wird. Die Token-Kennung selbst repräsentiert die Anzahl der Minuten, die seit einem bestimmten Basisdatum (01.01.1993) bis zum Zeitpunkt der Erstellung des Tokens verstrichen ist. Die Obergrenze dieser eindeutigen Token-IDs wird am 24. November 2024 erreicht sein. An diesem Tag werden die Werte der Token-IDs wieder auf Null zurückgesetzt. Daher auch der Name TID-Rollover.
Das Problem ist also vergleichbar mit anderen Zählerüberläufen, wie dem bekannten Jahr-2000-Problem und dem drohenden digitalen Super-GAU, dem Jahr-2038-Problem.

Ein weltweiter Blackout droht

Weltweit sind über 70 Millionen betroffene STS-kompatible Systeme im Umlauf. Alleine in Südafrika sind über 11.5 Millionen solcher Stromzähler aktuell im Einsatz. Ohne Massnahmen werden alle diese Systeme am 24. November 2024  um punkt 20:16 Uhr die Stromzufuhr unterbrechen. Das gleichzeitige Abschalten kann das zum Teil dürftig ausgebaute Stromnetz in den betroffenen Entwicklungsländern überlasten. Weitere Abschaltungen sind die Folge. Ein grossflächiger  Stromausfall  droht – ein Blackout.

Die «Lösung» – Aufgeschoben, nicht aufgehoben

Über mehrere Jahre hat die zuständige Organisation
Standard Transfer Specification Association (STSA) eine Lösung entwickelt. Um dieses Problem zu umgehen, muss der Speicher jedes Zählers von allen gespeicherten TIDs befreit und der kryptografische Schlüssel vor 2024 geändert werden. Die neue Reihe von TIDs beginnt dann mit einem neuen Basisdatum von 2014 und läuft 2045 ab. Für diese Schlüsseländerung ist es erforderlich, dass jeder Zähler physisch aufgesucht wird. Das Update kann entweder von Spezialisten des Versorgungsunternehmens oder vom Endkunden selbst durchgeführt werden. Für die Koordination wurde eine eigene Webseite eingerichtet.

Der drohende Blackout ist damit jedoch noch nicht abgewendet. Man schiebt das eigentliche Problem weiter vor sich hin. In 20 Jahren werden wiederum Millionen Geräte ein Update benötigen. Wenn man bedenkt, dass STSA über ein Jahrzehnt an den Vorbereitungen des kommenden TID-Rollovers gearbeitet hat, ist das aus unserer Sicht äusserst kurzfristig gedacht! Möglicherweise haben wir es mit einem Fall von vorsätzlicher Obsoleszenz zu tun.

Genauere Informationen wie die STSA den Rollover plant und umsetzt wird in einem Youtube Video erklärt.

Ein Wettlauf gegen die Zeit

Der TID-Rollover ist ein schon seit langem bekanntes Problem. Frühzeitig wurde von STSA ein koordiniertes Vorgehen gestartet, um die Probleme in den Griff zu bekommen. Trotzdem mehren sich pessimistische Stimmen in der Presse, die vor einem katastrophalen Szenario warnen. Befürchtungen, dass zu wenig und zu spät reagiert wird, äusserte bereits Don Tylor – Direktor und Gründer der STSA – vor 5 Jahren auf LinkedIn.

There is thus only a 5 year window, within which the utilities have to complete this programme. Because the STS is concerned that utilities may leave this too late, we have embarked on an awareness programme by reaching out to all STS users and providing a platform that will facilitate technical support and guidance to users during the implementation of the TID rollover programme, thereby urging them to upgrade their vending systems to STS Edition 2 and visit each meter in its region to clear the memory and change the meter key before 24 November 2024.

Es gibt also nur ein Zeitfenster von 5 Jahren, innerhalb dessen die Versorgungsunternehmen dieses Programm abschließen müssen. Da der STS befürchtet, dass die Versorgungsunternehmen dies zu spät tun könnten, haben wir ein Sensibilisierungsprogramm gestartet, indem wir uns an alle STS-Nutzer wenden und eine Plattform bereitstellen, die den Nutzern technische Unterstützung und Anleitung bei der Umsetzung des TID-Rollover-Programms bietet. Dadurch werden sie aufgefordert, ihre Automatensysteme auf STS Edition 2 aufzurüsten und jeden Zähler in ihrer Region aufzusuchen, um den Speicher zu löschen und den Zählerschlüssel vor dem 24. November 2024 zu ändern.

Für Südafrika wurde ein online Dashboard eingerichtet, welches den aktuellen Stand des Fortschrittes in Echtzeit abbildet. 16 Wochen vor der Deadline sind immer noch 28% der erfassten Geräte (1.3 Millionen) vom Problem betroffen. Eine ähnliche Seite hat auch Namibia eingerichtet. Auch hier sind noch ein Viertel der Geräte nicht auf den Zählerüberlauf vorbereitet, obwohl der Update-Prozess nach Plan des Electricity Control Boards (ECB) bis Ende Juli hätte abgeschlossen werden sollen. In Nigeria hat das Nigerian Electricity Regulatory Commission (NERC) schon früh Druck auf die Versorger ausgeübt. Die entsprechende Verordnung wurde am 6. July 2023 unterzeichnet. In weiteren Ländern wie UgandaKenia, und Tansania machen Politiker weitreichende Versprechungen und die Presse berichtet über einzelne Erfolge. Doch ein eigentliches Tracking des Fortschrittes wie in Südafrika und Namibia konnten wir nicht finden. Das lässt nichts Gutes erahnen. 

TID-Rollover – Ein Testlauf für 2038

Der TID-Rollover der Stromzähler ist eine grosse Herausforderung, obwohl der Umfang des Problems und die Auswirkungen auf eine Geräteart beschränkt ist. Mehr als ein Jahrzehnt hat man sich vorbereitet, koordiniert durch die Standard Transfer Specification Association. Das hat Unmengen an Geld verschlungen. Trotzdem schiebt die sogenannte „Lösung“ das Problem nur weiter in die nähere Zukunft. Wir von BEOZ Association warten gespannt auf den 24. November 2024, um die tatsächlichen Auswirkungen des Zählerüberlaufes zu beobachten. Kommt es zum weltweiten Blackout?

Ungeachtet des Resultates können wir für die Zukunft viel aus diesem Problem lernen. Mit dem y2k38-Bug kommt im Jahr 2038 ein Problem auf uns zu, dass zur grössten digitalen Katastrophe der Geschichte werden könnte. Nicht nur ein Blackout, sondern die Epochalypse droht! Obwohl wir nicht die finanziellen Resourcen eines kommerziellen Anbieters haben, der Umfang der betroffenen Systeme um Faktoren höher ist und die möglichen Auswirkungen unvorhersehbar sind, stellen wir uns der Herausforderung. 

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